Ausgangslage
Das Konzept zur partizipativen Inter-Generationen-Musik-Werkstatt „Piccolo Concerto Grosso” wurde vom Musiktheater-Regisseur Philip Bartels und der Pianistin und Musikvermittlerin
Simone Keller entworfen, die gemeinsam das Kollektiv „ox&öl” bilden, das seit 2010 Vermittlungsprojekte entwickelt und durchführt.
2013 lancierten die beiden in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Sinfonieorchester und Pro Senectute das erste „Piccolo Concerto Grosso” in Luzern, das mit einem Schlusskonzert im
„Südpol” gezeigt wurde. Es folgte 2015 eine Neuauflage dieses Projektes im Grossen Saal des KKL und daraufhin eine dritte Fassung in Zusammenarbeit mit der STEO-Stiftung in Zürich mit
Konzerten im Kleinen Tonhalle-Saal und in der Hirschengraben-Aula. 2017 wird das Projekt dank der Zusammenarbeit mit der Stiftung des Kiwanis Club Zürich und der Unterstützung der Paul-Schiller-Stiftung eine Neuauflage in der Zürcher Tonhalle erleben.
Zur Idee und Zielsetzung
„Piccolo Concerto Grosso” ist eine partizipative Musikwerkstatt für Schulklassen mit einem hohen Migrationsanteil und Seniorinnen und Senioren, die ohne musikalische Vorbildung
gemeinsam improvisieren und komponieren, verschiedene Musikstile kennenlernen und in Zusammenarbeit mit einem professionellen Musikensemble auf ein grosses Schlusskonzert hinarbeiten, das insbesondere
sogenannt „bildungsfernen Schichten” Zugang zur Hochkultur verschaffen möchte, weshalb diese Abschlusskonzerte konsequenterweise in den namhaften Hochburgen der klassischen Musik der jeweiligen Städte stattfinden, in deren Vermittlungsangeboten nur selten Projekte für diese Randgruppen zu finden sind.
Die Beteiligten mit unterschiedlichstem kulturellem Hintergrund lernen gemeinsam neue Ausdrucksformen kennen, befassen sich mit einer Selbstäusserung, die es in ihrer Komplexität erlaubt, neue vielschichtige Kommunikationswege zu bilden und erfahren die Möglichkeit, sich mit einem neuen, differenzierten Medium im wahrsten Sinne des Wortes Gehör zu verschaffen
und bauen generationenübergreifend Beziehungen auf.
Zum Inhalt
Im Zentrum steht die Begegnung von Jung und Alt aus unterschiedlichen Kulturen und verschiedenen Bildungsschichten. Anhand des Kinderliedes „Frères Jacques”, das in vielen verschiedenen Sprachen existiert und auch in Gustav Mahlers 1. Sinfonie mit dem Beinamen „Titan” auftaucht, können beispielsweise in kleinen Lerngruppen die Kinder den Seniorinnen
und Senioren „Brate Jovo” auf Serbisch oder „Chinna Thambi” auf Tamil beibringen und dann im Verlauf der Musikwerkstatt erleben, wie ein kleines Kinderlied in die musikalische Hochkultur eingeflossen ist, wenn das professionelle Musikensemble einen Ausschnitt aus Mahlers Sinfonie spielt. Die thematische Verbindung des musikalischen Programmes
lässt sich also unter dem Motto „Gross und Klein” zusammenfassen, nicht nur im Sinne von grossen und kleinen Menschen, Jungen und Alten, kleinen und grossen Instrumenten, sondern auch bezogen auf grosse und kleine Besetzungen, Kammermusik und sinfonische Musik sowie reduzierte Konzepte und „Übernotierung”, die beispielsweise bei der Einstudierung von zeitgenössischen Werken für die Werkstatt-Teilnehmenden praktisch erfahrbar werden.
Zur Arbeitsweise
Als Arbeitszeitraum mit den Werkstatt-Teilnehmerinnen und Teilnehmern stehen in der Regel ca. zehn Doppel-Lektionen plus Endproben zur Verfügung, hinzu kommen einzelne Termine im Vorfeld und zur Nachbereitung. Die Doppel-Lektionen können als Intensiv-Woche zusammengefasst werden oder auf mehrere Wochen verteilt werden. Gearbeitet wird im Plenum und in kleinen
Gruppen. Neben dem Leitungs-Team werden regelmässig Gäste miteinbezogen, professionelle Musikerinnen und Musiker, die ihre Instrumente vorstellen und Tipps fürs Improvisieren und Interpretieren geben oder Schauspielerinnen und Schauspieler, die allgemeine Auftritts-Kompetenzen vermitteln. Im Allgemeinen wird prozesshaft gearbeitet,
um möglichst individuell auf alle Beteiligten eingehen zu können. Es wird also kein fixfertiges Konzept über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gestülpt, sondern es werden lediglich Angebote präsentiert, die eine möglichst grosse
Eigenverantwortung und Identifikation der Einzelnen ermöglichen, wobei das Leitungs-Team ständig aufmerksam bleibt für die Bedürfnisse der Mitwirkenden und gegebenenfalls auch die vorbereiteten Pläne über Bord wirft, um neue Ideen
einfliessen zu lassen.
Zu den Arbeitsmitteln
Grundlage für die gemeinsamen Gruppenimprovisationen sind die sogenannten Zwitschermagnete, sehr kleine Instrumente, die aber einen grossen Effekt erzielen können – insbesondere wenn sie von einer ganzen Gruppe gleichzeitig gespielt werden – und die ohne Vorkenntnisse erlernt werden können. Es handelt sich dabei um Magnet-Paare, welche durch ihre
Anziehungskraft und ihre jeweiligen Formen beim Gegeneinanderprallen Zwitschergeräusche von sich geben. In den vergangenen Werkstätten hat sich gezeigt, dass oftmals die Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
die ein Instrument spielen, dieses gerne mitbringen, was in jedem Fall unterstützt wird und auch in kleinen für sich stehenden altersdurchmischten Kammermusik-Gruppen gefördert
werden kann, die ebenfalls beim Schlusskonzert auftreten können.
Zur Nachhaltigkeit
Nicht nur der gemeinsame Auftritt am Schluss ist eine unvergessliche, nachhaltige Erfahrung für alle Beteiligten, auch beim gemeinsamen Daraufhin-Arbeiten ergibt sich – beispielsweise im
Umgang mit Nervosität und Frustrationstoleranz – immer wieder ein ganz erstaunlicher, generationenübergreifender Erfahrungsaustausch. Ausserdem haben die letzten Projekte
gezeigt, wie durch die gemeinsame Arbeit immer wieder auch ein weiterführender Kontakt entstehen kann, der weit über den Projektzeitraum hinausgeht und von der Begleitung von
Klassenausflügen durch einzelne Seniorinnen und Senioren bis hin zu Aufgabenhilfe oder der Betreuung eines Vorlese-Wettbewerbs in den Muttersprachen der Kinder reicht.
Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit zu geben, die Erinnerungen festzuhalten, werden die Arbeitsphase und Konzerte sorgfältig in Bild und Ton dokumentiert und
auch von der lokalen Presse begleitet.